Was treibt mich eigentlich an bei lunaysoul?
Fast backwards. Einmal zurück ins Jahr 1995. Hier beginnt der Struggle mit meiner mentalen Gesundheit als ich grade einmal 5 Jahre alt bin. Und auch wenn ich bei Filmen und Serien nicht ganz so viel übrig habe für das tragische Waisenkind, das ab dem Tod seiner Eltern zu einem Leben im Unglück verdammt ist, gehört dieses einschneidende Erlebnis wohl zu meinem echten Leben dazu. Das bedeutet im Gegensatz zu so manchem Film zwar nicht, dass ich deshalb für immer unglücklich war und bin, aber es gab ab da in jedem Fall etwas zu verarbeiten 😉.
Meine Mama starb an einem Novembertag und seitdem mag ich den November nicht mehr.
In diesem November 95‘ habe ich aber bereits nach wenigen Tagen aufgehört zu weinen und umgestellt aufs funktionierende Kind. Meine Großeltern, bei denen ich im Anschluss aufwuchs, trauerten natürlich ebenso. Lange und intensiv, aber immer im Verborgenen. Mir suggerierte man aus einem falsch verstandenen (und nie böse gemeintem!) Verständnis von Trauer: Ich hätte ja gar nicht viel zu betrauern, denn ich kannte meine Mama ja „nur 5 Jahre“. Diesen Satz hatte ich so verinnerlicht, dass ich das sogar später meinen Grundschulfreundinnen erzählte.
Und so verbrachte ich einige Jahre bis zum Ende der Grundschulzeit, ohne jemals mit jemandem Professionellen über meine Trauer gesprochen zu haben. Stattdessen entwickelte ich Angst vor allem. Ich ging nicht raus, blieb nur in meinem Zimmer, hatte nicht viele Kontakte und wurde zunehmend abgestumpft und aggressiv.
Und genau diese Aggressionen retteten mich, denn so geriet ich an meine erste Kinderpsychologin. Das Kind (also ich) musste ja wieder funktionieren.
Und nein, das ist kein Vorwurf an meine Großeltern. Wie sollte eine Generation, die in den 1930ern geboren ist und die niemals Gefühle zeigen durfte es denn auch besser wissen?
Zeit also für meine erste Diagnose:
Generalisierte Angststörung als Traumafolge.
Die Gesprächstherapie half mir und nach einigen Terminen ging es mir sichtlich besser. Für mein Umfeld war ich nun also wieder „geradegerückt“ und es konnte normal weitergehen. Spoiler Alert: Falsch gedacht!
Die Pubertät kam und es ging mir wieder schlechter. Diesmal half ich mir selbst und suchte mir auf Anraten meiner Ärztin eine Psychiaterin. Da bekam ich eine neue Diagnose (schwere Depression) und wurde medikamentös eingestellt.
Und das war der Moment, an dem ich begriffen habe wie stigmatisiert das Thema Mentale Gesundheit eigentlich ist. Wie man angeschaut wird, wenn man „zugibt“, dass man mental nicht gesund ist. Wie groß die Hemmschwelle ist nachzufragen, wie es geht. Sogar in der eigenen Familie. Wie meine geliebte Oma mich beschwor ja niemandem zu erzählen, dass ich Gesprächstherapie mache, denn: „Die Leute denken dann, ich kümmere mich nicht gut um dich und dann zeigen sie mit dem Finger auf mich“.
Mein gesamtes Umfeld duldete nur normatives Durchschnittsverhalten (was ist das überhaupt?) und alles andere wurde unter den Teppich gekehrt. So ein Verhalten führt nicht dazu, dass es irgendjemandem besser gehen kann. Spannend dabei:
Ich war weitaus nicht die Einzige in meiner Familie, die psychisch erkrankt war. Es gab einige undiagnostitierten Erkrankungen, die ich nach und nach mit meiner Therapeutin aufdröselte, damit ich lernen konnte mich abzugrenzen und die Dinge einzuordnen. Ich war die ungekrönte Rebellin, denn ich sprach die Dinge an und konfrontierte alle möglichen Leute mit ihrem Verhalten. Durch meine Hochsensibilität nahm ich ja eh schon alles Mögliche wahr, wieso dann nicht auch gleich immer geradeaus raus mit den Dingen. Das mache ich bis heute so und darauf bin ich auch stolz. Ich lasse mir selten etwas bieten und schlucke nie etwas herunter. Konfrontation? Here I go!
In der Schule hatte ich zwar meine Gruppe von Leuten, aber kein Lehrer hat es während meiner Schulzeit für nötig gehalten, mentale Themen im Unterricht zu besprechen, oder darauf zu achten warum und wieso ich später in der Oberstufe regelmäßig. Sie nahmen es hin, ich schaffte mein Abitur und die Studienzeit begann.
Alle fühlten sich frei, ich war wie gefangen in mir selbst. Aber hier hatte ich großes Glück und ich fand Menschen, die für mich da waren, für die ich da sein konnte und die als es mir immer schlechter gingen die Notbremse zogen und meinem Leben eine neue Richtung gaben.
Und zu dieser neuen Richtung gehörte auch mein jetziger Ehemann, der mir viel Stabilität und vor allem meine eigene kleine Familie ermöglichte.
Mit der Geburt unserer Töchter begann eine neue Phase für mich, in der ich nicht nur einen neuen Fokus hatte, sondern auch viel Kindheits-Aufarbeitung begann. Wenn ich meine Kinder anschaue, dann realisiere ich:
Mein kindliches Ich hätte so viel Gefühl gebraucht. Und das Gefühl, dass jedes Gefühl völlig in Ordnung ist: „Du bist wütend?“ „Ja, natürlich, das ist doch völlig verständlich.“ „Traurig?“ „Komm, ich tröste dich.“ „Glücklich?“ „Ich freue mich mit dir!“
Ein Fühli für jede Lebenslage wäre perfekt gewesen und genau deshalb gibt es unseren kleinen Kerl. Zukünftig haben wir auch noch einiges anderes geplant. Seid gespannt.
Und wieso unsere Erwachsenenlinie:
Sind wir doch mal ehrlich: Was ich da oben erzähle: Die Stigmatisierung in der eigenen Familie, in der Schule. Hat sie aufgehört, als wir alle erwachsen geworden sind? Nicht wirklich, oder? Natürlich sind wir viel weiter als noch 1995! Gar keine Frage. Das Thema Mentale Gesundheit wird oft aufgegriffen und mittlerweile ist es auch in den Medien präsent. Aber zuhause in der Stadt und auf dem Dorf, da wird hinter vorgehaltener Hand über so manchen von uns immer noch erzählt: „Die war ja auch mal in der Klapse, wusstest du das?“. Wenn jemand sich aber den Arm gebrochen hat, wurde mir sowas noch nie hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt. Das geht beiläufig, ohne Unterton bei einem Kaffee und die Sensationslust ist da eher gering.
Und damit die Sensationslust auch bei Therapie, Psychologe und Psychiatrie (nicht Klapse!) bald auch nicht mehr so groß ist gibt es unsere Mental-Health Mode, da wir zu diesem Weg ein wenig beitragen können. Denn wenn wir alle einen kleinen Schritt gehen, ist am Ende ganz schön viel Weg zurückgelegt =).
Deine Luna